Antworten auf Argumente gegen eine gerechte Erbschaftsteuer

06.10.2015

Im Dezember 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht das bisherige Erbschaftssteuerrecht für verfassungswidrig. Grund war die übermäßige Steuervergünstigung beim Vererben oder Verschenken von Betrieben. Bis 2016 muss das Gesetz geändert werden.Doch die Reform, die Union und SPD nun vorgeschlagen haben, ist faul: Für Firmenerben soll es weiterhin möglich sein, bis zu einem Unternehmenswert von 26 Millionen Euro von der Erbschaftsteuer verschont zu bleiben. Erst ab diesem Betrag soll es zu einer näheren „Bedürfnisprüfung“ kommen. ver.di und viele Juristinnen und Juristen halten auch den neuen Gesetzentwurf für verfassungswidrig.   Dabei ist die Erbschaftssteuer ein wichtiger Baustein in unserem Steuersystem und könnte mit einer wirklichen Reform zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen. Anders formuliert und wie in der Bayerischen Verfassung geschrieben steht: "Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern."  

Wir fordern: Fair erben – Reichtum besteuern!

 

  • Brauchen wir überhaupt eine Erbschaftsteuer?

    Die Erbschaftsteuer trägt zum allgemeinen Steueraufkommen bei und hilft, öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Angesichts der hohen ungedeckten Bedarfe und der anhaltenden Finanzknappheit vieler Länder und Kommunen sollte auf eine Steuer, die immerhin bisher schon gut fünf Milliarden Euro zugunsten der Bundesländer jährlich einbringt, nicht verzichtet werden. Zumal die Steuer nur eine kleine Zahl von Personen trifft, die einen hohen Vermögenszuwachs erfahren haben, der durch die Steuer lediglich etwas gemindert wird.

    Zusätzlich hat die Erbschaftsteuer in besonderem Maße einen sozialstaatlichen Steuerungszweck. Auch deshalb ist sie ausdrücklich im Grundgesetz genannt. Noch klarer steht es in der bayerischen Landesverfassung, Artikel 123 „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“

     

     
    Erbschaftsteuer für Länder

    Sehr deutlich haben das auch drei der Bundesverfassungsrichter in ihrem Minderheitenvotum zum jüngsten Urteil zur Erbschaftsteuer formuliert: „Die Erbschaftsteuer ist ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt.(...) Die Erbschaftsteuer dient deshalb nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Dass hier auch in Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eine Herausforderung liegt, zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Vermögensverteilung. (…) Die Erbschaftsteuer wirkt der Gefahr entgegen, dass durch eine zunehmende Ungleichverteilung von Mitteln die Chancen auf gesellschaftliche wie politische Teilhabe auseinanderdriften und sich so letztlich Einfluss und Macht zunehmend unabhängig von individueller Leistung verfestigen und an Herkunft gebunden sind.“

     

  • Die Erbschaftsteuer verfassungsfest machen!

    In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer mehrfach neu geregelt. Doch im Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Steuer erneut für verfassungswidrig erklärt. Ist es so schwer, die Erbschaftsteuer verfassungsfest zu machen?

    Das BVG hat nie die Erbschaftsteuer an sich in Zweifel gezogen. Verfassungswidrig war immer nur die unterschiedliche Behandlung von Vermögensarten. Erben zahlen mehr oder weniger Steuern, abhängig davon, ob sie Geld, Immobilien oder Betriebsvermögen erben. Das Urteil von 2006 hatte kritisiert, dass Immobilien und Betriebsvermögen nicht mit ihrem tatsächlichen Wert, sondern viel niedriger bewertet wurden. Entsprechend geringer fiel die Erbschaftsteuer aus, wenn jemand statt einer Million Euro in bar einen Betrieb oder eine Villa mit einem ähnlichen tatsächlichen Wert erbte. Die Bewertungsregeln wurden zwischenzeitlich neu geregelt.

     
    Justizia

    Allerdings hat die Unternehmerlobby Großalarm gemacht und den massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen durch die Erbschaftsteuer heraufbeschworen. Mit Erfolg: Der Gesetzgeber hat umfangreiche Begünstigungen für Betriebsvermögen beschlossen. Erben von Unternehmen bleiben weitgehend von der Steuer verschont, wenn sie den Betrieb im Großen und Ganzen weiterführen bzw. weiterführen lassen. Damit können regelmäßig auch sehr große und größte Vermögen im Wert von vielen Millionen oder gar Milliarden Euro nahezu steuerfrei übertragen werden. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht 2014 erklärt: „Die Verschonung von der Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes unvereinbar“.

    Begünstigungen für bestimmte Vermögensarten oder Gruppen von Erben darf es nur mit stichhaltiger Begründung geben, zum Beispiel dem Schutz von Arbeitsplätzen. Und sie dürfen die Besteuerung nicht mehr als wirklich notwendig mindern. Bei der anstehenden Neuregelung kommt es darauf an, gegenüber den Klagen der Unternehmerlobby Stand zu halten. Sonst droht erneut ein verfassungswidriges Gesetz.

     

  • Was ist das Problem mit dem Gesetzentwurf?

    Merkel, Gabriel, Seehofer und Schäuble versuchen die notwendige Neuregelung des Erbschafts- und Schenkungsteuergesetzes so zu gestalten, dass auch künftig die Superreichen möglichst weitgehend vor der Steuer geschützt werden. Sie ducken sich vor der Propaganda und dem Druck der Unternehmerfamilien. Bis zu einer Erbschaft oder Schenkung von 26 Millionen Euro, bei „Familienunternehmen“ bis 52 Millionen Euro, soll regelmäßig eine völlig steuerfreie Vermögensübertragung möglich sein. Bedingung ist lediglich, dass das Unternehmen mindestens sieben Jahre weitergeführt und dabei bestimmte Lohnsummen mindestens eingehalten werden.

     

     
    Dezile Vermögen

    Erst bei noch größeren Vermögenswerten soll eine – großzügige und umgehungsanfällige – Prüfung klären, wie weit die Erben oder Beschenkten die Steuer auch aus ihrem sonstigen, nicht begünstigten Privatvermögen bezahlen können. Alternativ können sie eine verminderte Besteuerung wählen. Diese soll erst bei einer Schenkung oder einem Erbe in Höhe von über 116 Millionen Euro, bei „Familienunternehmen“ 142 Millionen Euro, einen Höchstsatz von in den meisten Fällen nur 19,5 Prozent erreichen.

    Der Reichtum würde sich bei dieser Regelung weiterhin nur bei sehr wenigen ansammeln und weiter konzentrieren. Das Gesetz in dieser Form wäre nach Einschätzung vieler Juristinnen und Juristen erneut verfassungswidrig.

     

  • Werden Arbeitsplätze gefährdet?

    Millionenschwere Firmenerben haben gelernt: Gefahr für Arbeitsplätze und deutschen Mittelstand – diese Drohung wirkt immer. Wer davor warnt, braucht nicht mehr genauer begründen, ob es wirklich um den Schutz von kleinen und mittelständischen Betrieben oder die weitere Privilegierung von Superreichen geht.

    Bis heute gibt es keine Belege, dass eine Erbschaftsbesteuerung Arbeitsplätze in Unternehmen gefährdet. Nicht einmal der Wissen­schaftliche Beirat beim Bundesministerium hat welche gefunden. Das Ergebnis seines Gutachtens von 2012 lautet: „Zusammenfassend ergeben sich wenig Hinweise darauf, dass eine Verschonung von Betriebsvermögen geboten ist, um Arbeitsplatzverluste zu vermeiden.“ Auch Betriebsräte haben ihren Gewerkschaften noch keinen einzigen Fall benannt, bei dem Arbeitsplätze verloren gingen oder die Fortführung ihres Betriebs durch die Erbschaftsteuer gescheitert wäre.

     
    Geschenke für Millionenerben

    Freibeträge garantieren, dass kleinere und mittlere Betriebe steuerfrei vererbt werden können. Wird bei der Vererbung von größeren Betrieben Erbschaftsteuer fällig, kann sie in der Regel aus den laufenden Erträgen bezahlt werden. Wo dies wegen vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten nicht möglich ist, kann die Steuerschuld gestundet werden. Schon nach alter Regelung war eine Stundung über zehn Jahre möglich, die aber nur selten genutzt wurde.

    Eine ernsthafte Arbeitsplatzbilanz der Erbschaftsteuer muss zudem auch berücksichtigen, dass Arbeitsplätze mit den Einnahmen geschaffen bzw. dauerhaft finanziert werden können. Wenn die Erbschaftsteuer zusätzlich fünf Milliarden Euro jährlich einbringen würde, könnten damit sofort weit über 100.000 zusätzliche Beschäftigte etwa in Kindertageseinrichtungen oder im Gesundheitswesen eingestellt werden.

     

  • (Familien-) Unternehmen besonders schützenswert?

    Die Lobbyarbeit der Unternehmer zeichnet das Bild vom Familienbetrieb, der durch die Steuer gefährdet würde, mitsamt den Arbeitsplätzen. Doch diese Behauptungen halten keiner ernsthaften Prüfung stand. Durch hohe Freibeträge – selbstgenutzte Wohnung plus 400.000 Euro je Kind, 500.000 Euro für Ehegatten, nach Abzug aller Schulden, zuzüglich weiterer Freibeträge – sind Kleinbetriebe ohnehin außen vor. 98 Prozent aller Erben von Betrieben haben mit der Erbschaftsteuer nichts zu tun. Außerdem ist nicht stichhaltig zu begründen, dass Arbeitsplätze durch die Erbschaftsteuer gefährdet würden. Ob ein Betrieb weitergeführt wird hängt davon ab, ob er sich lohnt, nicht ob Steuern zu zahlen sind. Gegen akute Zahlungsprobleme reichen Möglichkeiten zur Stundung oder Ratenzahlung völlig aus.

     
    Trauern nicht mehr

    Die selbsternannten Schutzpatrone der klein- und mittelständischen Unternehmen werfen Nebelkerzen, um die wirklich Reichen aus dem Blick zu nehmen, die am allermeisten von der Verschonung profitieren. Tatsächlich geht es um den Schutz des persönlichen Reichtums von Familiendynastien der Superreichen in Deutschland: die Quandts, Aldis, Schaefflers usw. sind die Hauptprofiteure. Denn auch Anteile an Großunternehmen und Aktienpakete im Multimillionen- und Milliarden-Euro-Wert gelten als Betriebsvermögen und sind begünstigt.

    Es ist offensichtlich, dass die Arbeitsplätze nicht davon abhängen, wem wie viele Aktien gehören. Eine Möglichkeit wäre auch, statt Bezahlung der Erbschaftsteuer in bar Unternehmensanteile an einen öffentliche Beteiligungsfonds zu übertragen. Dies könnte außerdem die Grundlage für erweiterte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Beschäftigten sein.

     

  • Lauern schon die Heuschrecken?

    Beim ver.di Bundeskongress im September 2015 ging es im „Parteien-Talk“ unter anderem um die Erbschaftsteuer. Drei der vier Parteienvertreter beschworen die Gefahr, dass die Erbschaftsteuer Unternehmen in falsche Hände treiben könnte.

    Peter Weiß von der CDU erklärte: “Wir haben ja auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer ein großes Interesse daran, dass familiengeführte Unternehmen im Erbfall auch tatsächlich vererbt werden und sie nicht an irgendeinen großen Multi verkauft werden, der das dann als Spielzeug ansieht und morgen vielleicht die Arbeitsplätze aus Deutschland verschwinden lässt oder sonst irgendeine Schweinerei macht.“ Thomas Oppermann, SPD, ist „auch nicht dafür, dass Familienunternehmen durch die Erbschaftsteuer gezwungen werden, Finanzinvestoren aufzunehmen und sich dann der Charakter unserer sozialen Marktwirtschaft dadurch verändert.“ Anton Hofreiter von den Grünen stimmt zu: „Es gibt einen Punkt, wo die beiden Vorredner recht haben. Das ist, dass wir natürlich nicht wollen, das vernünftige, anständige Familienunternehmen am Ende von Private Equity Fonds aufgekauft werden.“

     
    Erbschaftsteuer

    Erstaunlich sind alle drei Formulierungen: Keiner behauptet, dass der Einstieg eines Multis oder Finanzinvestors in ein Unternehmen bisher jemals wegen der Erbschaftsteuer stattgefunden hat. Es wird auch nicht behauptet, dass „Familienunternehmen“ im Fall einer Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen keine andere Wahl hätten, als sich Finanzinvestoren ins Haus zu holen. Das wäre auch schwer zu begründen (siehe die vorigen Argumente). Es wird einfach eine Gefahr beschworen – ein Bild, das gut Platz hat in den Köpfen von Menschen und Sorgen schürt.

     

  • Vermögende schaffen ihr Geld aus dem Land?

    Je höher die „Kosten“, umso größer der Anreiz sie zu umgehen. Dieser Zusammenhang gilt selbstverständlich auch bei Steuern. ver.dischätzt, dass dem deutschen Staat durch kriminelle Steuerhinterziehung jährlich etwa 50 Milliarden Euro verloren gehen. Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen mit verheerendem Ausmaß und kein Kavaliersdelikt.

    Die Sorge, dass Vermögende Steuern hinterziehen und ihr Geld einfach aus dem Land schaffen, ist also nicht ungerechtfertigt. Allerdings darf diese Sorge vor verbrecherischen Handlungen einiger weniger keinesfalls den Handlungsspielraum einer Demokratie einschränken. Stattdessen muss der Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht nur in Deutschland, sondern weltweit verstärkt werden. Datenaustausch und Kontrollmitteilungen von Banken an die Finanzämter müssen zum Standard werden.

     
    Steueroasen

    Die Drohung mit Verlagerung von Unternehmen auf legalem Weg ist ein beliebtes Argument gegen Steuererhöhungen. Doch viele Studien zeigen: Aus steuerlichen Gründen macht das kaum ein Unternehmer. Außerdem ist das nicht so einfach: Um der unbeschränkten Steuerpflicht zu entgehen, müssen Erblasser und Erben bzw. Beschenkte mit deutscher Staatsangehörigkeit bereits seit mehr als fünf Jahren ihren Wohnsitz im Ausland haben. Und die im Inland gelegenen Vermögensgegenstände (Immobilien, Betriebsvermögen) unterliegen auch dann der „beschränkten“ deutschen Steuerpflicht, bei der es nur sehr geringe Freibeträge gibt.

     

  • Erbschafts- und Schenkungssteuer leistungsfeindlich?

    Eine Erbschaft bedeutet für die Begünstigten ein zusätzliches Einkommen, für das sie keine eigene Leistung erbracht haben. Denjenigen, die tatsächlich etwas leisten, bleibt dafür weniger vom Kuchen.

    Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Schon heute besitzen wenige Superreiche einen Großteil des vorhandenen Vermögens. Die Meisten von ihnen haben ihr Vermögen bereits selbst geerbt. Nun wollen sie ihren Reichtum möglichst uneingeschränkt auf ihre Nachkommen übertragen. Ein Sachverhalt, der den Vergleich mit feudalistischen Strukturen nicht zu scheuen braucht. Wir laufen Gefahr, dass die Verteilung des gemeinschaftlich erzeugten Wohlstands wie damals überwiegend aufgrund von Herkunft und persönlicher Verbundenheit erfolgt.

     
    Wertschöpfung

    Egal wie viel Intelligenz und Fleiß Nicht-Großerben auch aufbringen: Sie können kaum erreichen, was einer kleinen Gruppe von Groß-Erben leistungslos übertragen wird. Letzten Endes besitzen Vermögende nicht nur den Großteil des vorhandenen Reichtums, sondern sichern sich selbstverständlich auch Bildungsvorteile. Die besten Schulen, die besten Unis, die besten Karrieremöglichkeiten – das alles bleibt schon heute einem immer kleiner werdenden Kreis Vermögender vorbehalten.

    Aus Sicht der Erblasser oder Schenker mag es andererseits als Ausdruck ihres Eigentumsrechts gerechtfertigt erscheinen, das von ihnen erworbene Vermögen an Verwandte oder andere selbst bestimmte Personen weiter zu geben. Allerdings hat das Grenzen, die da gezogen werden sollten, wo das übertragene Vermögen eine Größe überschreitet, die von breiten Teilen der Bevölkerung durch eigene Arbeitsleistung im Laufe eines Lebens aufgebaut werden kann. Diese Grenzen sind durch die Freibeträge hinreichend gewahrt.

     

  • Ist normales Familienvermögen betroffen?

    „Oma ihr klein Häuschen“ – wer kennt sie nicht, diese Formulierung. Sie drückt die Sorge aus, dass durch die Erbschaftsteuer kleiner Familienbesitz verloren gehen könnte. Diese Sorge war bisher unbegründet und ist es nach den aktuellen Plänen zur Reform der Erbschaftsteuer weiterhin. Auch ver.di will nicht, dass normales Familienvermögen besteuert wird.

    Bei den Erbschaften läuft es nach dem Matthäus Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Zwei Prozent der Bevölkerung erhalten ein Drittel des zu vererbenden Vermögens. Jeder Zweite geht hingegen leer aus. Und die allermeisten, die ihr Elternhaus oder eine kleine bis mittlere Summe von Tante oder Onkel erben, zahlen dafür keine Erbschaftsteuer. Ob Erbschaftsteuer fällig wird – und wenn ja wie viel – hängt von zwei Faktoren ab: Wie eng das Verwandtschaftsverhältnis zu der oder dem Verstorbenen und wie hoch die Erbschaft ist.

     
    Erbschaft- und Schenkungsteuer

    Eheleute und eingetragene Lebenspartner können sich gegenseitig bis zu 500.000 Euro steuerfrei vererben. Kinder haben einen Freibetrag von 400.000 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern kann also durch die Freibeträge 1,6 Millionen Euro steuerfrei an die Kinder weitergeben: Vater und Mutter jeweils 400.000 Euro an jedes Kind. Zusätzlich können Eheleute untereinander und Kinder von ihren Eltern eine Wohnung oder ein Haus steuerfrei erben, wenn sie selber darin wohnen und zehn Jahre lang nicht ausziehen.

    Enkel können von ihren Großeltern bis zu 200.000 Euro steuerfrei erben, und Tanten bzw. Onkel können ihren Nichten und Neffen immerhin jeweils 20.000 Euro steuerfrei vererben. Insgesamt sind die Freibeträge also überaus großzügig. Wer das Glück hat noch mehr zu erben, zahlt Erbschaftsteuer nur für den Teil des Erbes, das über dem jeweiligen Freibetrag liegt.

     

  • Ist die Erhebung nicht zu aufwendig?

    Gegner der Erbschafts- und Schenkungssteuer stellen gerne die Behauptung auf, dass die Erhebung der Steuer viel zu aufwendig wäre. Ein angemessenes Aufwands-Ertrags-Verhältnis für den Staat sei bei ihr einfach nicht gegeben. Schließlich müsse zur Steuererhebung zunächst der Wert des gesamten Erbes ermittelt werden. Bei Bargeld und Wertpapieren sei dies tatsächlich relativ problemlos möglich. Allerdings wäre spätestens, wenn der Wert von Immobilien und Unternehmen ermittel werden muss, der Aufwand für den Staat viel zu hoch. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), zu dessen Geldgebern das who is who zukünftiger Vermögenserben gehört, spricht von Erhebungskosten bis zu 30 Prozent der Steuereinnahmen.

     
    Bürokratischer Aufwand

    Mit der Realität haben solche Aussagen wenig zu tun. Wenn die Bewertung von Immobilien und Unternehmen tatsächlich so hohe Kosten verursachen würde, wären Unternehmenskredite und Gebäudeversicherungen unbezahlbar. Denn auch für ihren Abschluss muss zunächst der jeweilige Marktwert ermittelt werden. Entsprechend würden auch hier enorm hohe Bewertungskosten anfallen.                                                  
    In der Realität fallen die Bewertungs- und somit ebenfalls die Erhebungskosten deutlich niedriger aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht im Falle der Erbschafts- und Schenkungssteuer von Erhebungskosten zwischen 1,2 und maximal 3,8 Prozent des Steueraufkommens aus. Von einer zusätzlichen Steuermilliarde – und es könnten viele werden – blieben demnach mindestens 962 Millionen für den Staatshaushalt. Ein gutes Aufwands-Ertrags-Verhältnis ist bei der Erbschaftssteuer also in jedem Fall gegeben!

     

  • Unnötige Bagatellsteuer?

    In der Debatte um eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer wird häufig, auf den Anteil der Steuer am gesamten Steueraufkommen von gerade einmal 1 Prozent verwiesen. Das waren in den vergangenen Jahren jeweils etwa rund fünf Milliarden Euro. Angesicht eines jährlich vererbten Vermögens von 250-300 Milliarden Euro ist das tatsächlich eine Bagatelle.

    Die Steuerbegünstigung für Unternehmerfamilien ist mit Abstand die größte Steuersubvention in Deutschland. Die Bundesregierung selbst gibt die Steuerausfälle für 2013 bis 2016 mit über 35 Milliarden Euro an. Eine gerechte Besteuerung der Superreichen könnte die Einnahmen verdoppeln und Ländern und Kommunen mindestens fünf Milliarden Euro im Jahr Mehreinnahmen bringen. Viele zehntausende Arbeitsplätze etwa in Kitas und Pflege könnten damit zusätzlich und besser als bisher bezahlt, Kommunen besser finanziert und die Not der Flüchtlinge gelindert werden.

     
    Erbschaftsteuer International

    Im internationalen Vergleich ist Deutschland eine Steueroase für Reiche. Vermögensbezogene Steuern, dazu gehören Vermögens-, Erbschaft- und Grundsteuern, bringen in vergleichbaren Industrieländern drei bis viermal so viel ein. Würden Erbschaften so besteuert wie zum Beispiel in Frankreich, könnten die Einnahmen bei 15 Milliarden Euro jährlich liegen. Lägen alle vermögensbezogenen Steuern auf dem Niveau von Frankreich, könnten die jährlichen Einnahmen bei rund 100 Milliarden Euro liegen anstatt bei gerade einmal 26 Milliarden Euro.

     

  • Das Geld wurde doch schon mehrfach besteuert?

    Gegner der Erbschafts- und Schenkungssteuer behaupten immer wieder, die vererbende Person hätte ihr Vermögen im Laufe ihres Lebens bereits mehrfach versteuert: Vermögen entstehe aus Einkommen, für das zuvor Lohn- oder Einkommensteuer bezahlt wurde; für Grundstücke oder Immobilien sei zusätzlich Grunderwerbsteu14er angefallen.

    Aber darum geht es nicht. Besteuert werden durch die Erbschafts- und Schenkungsteuer die Erben oder Beschenkten, nicht die Erblasser oder Schenker. Die glücklichen Erben erhalten einen Einkommenszuwachs, für den sie keine Einkommensteuer zahlen. Dafür ist die Erbschaftsteuer der Ersatz. Im Vergleich zu Vermögenszuwächsen, die zweifelsfrei durch Leistung begründet sind, nämlich aus Arbeitseinkommen, stellt dies eine enorme Privilegierung dar.

    Wer 100.000 Euro im Jahr durch eigene Arbeit erwirbt, muss über 30.000 Euro Steuern darauf zahlen, wer 100.000 Euro erbt, in den allermeisten Fällen null Euro.

     
    MwSt-Belastung

    Außerdem gilt auch für alle indirekten Steuern wie die Mehrwertsteuer, die Tabak- oder Mineralölsteuer, dass sie als eine erneute Besteuerung bereits versteuerter Einkommen betrachtet werden könnten. Wer einkauft, raucht oder tankt, zahlt diese Steuern aus seinem oder ihrem vorher versteuerten Einkommen. Davon sind einkommensschwächere Personen besonders stark betroffen, wogegen Reiche einen großen Teil ihres Einkommens nicht für ihren privaten Konsum ausgeben, sondern mehrwertsteuerfrei investieren. Die Sinnhaftigkeit dieser Steuern stellen Erbschaftsteuergegner – richtigerweise – nicht infrage.

    Der Grund für die Einseitigkeit der Erbschaftsteuergegner beim Thema Mehrfachbesteuerung ist schnell gefunden. Viele von ihnen sind vermögend. Vermögende zahlen verhältnismäßig weniger indirekte Steuern. Schließlich fallen diese nur beim Verbrauch von Waren oder Dienstleistungen an. Und anders als ärmere sind reichere Personen nicht gezwungen einen Großteil ihres Einkommens für ihren Lebensunterhalt auszugeben.