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Podiumsdiskussion zur Zukunft des Länderfinanzausgleichs

Dokumentation

Podiumsdiskussion zur Zukunft des Länderfinanzausgleichs

„Solidarisch und gleichwertig? – Zur Zukunft des Finanzausgleichs“

Am 20. November 2014 diskutierten Vertreter/innen verschiedener Parteien und von Bund, Ländern, Stadtstaaten und Gemeinden über die Zukunft der föderalen Finanzbeziehungen. Zum Einstieg gab  Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom ifo Institut in Dresden zunächst sehr anschaulich einen Überblick über die Grundstrukturen des bisherigen Finanzausgleichssystems und die verschiedenen Interessenlagen, die bei der anstehenden Neuregelung aufeinander treffen. Eine seiner Thesen im Fazit lautete: „Bei gegebenem Mittelvolumen ist eine alle Verteilungswünsche befriedigende Lösung nicht möglich.“ Dieser einfache Satz macht das ganze Dilemma deutlich, denn in Zeiten von Schuldenbremse und einem selbstverordneten Verbot von Steuererhöhungen ist genau das der Fall – das Mittelvolumen scheint in Stein gemeißelt.

Länderfinanzen ver.di LFA  – Monika Brandl, Vorsitzende des Gewerkschaftsrats, leitet über zur Veranstaltung

Die Diskussion zeigte, dass die Verteilungswünsche keinen unbegründeten Wunschzettel bilden. Einigkeit bestand vielmehr darin, dass für verschiedene Bereiche künftig mehr und nicht weniger Geld nötig ist. So würden einige Bundesländer (Saarland und Bremen) ohne zusätzliche Konsolidierungshilfen das ab 2020 gültige Verbot der Neuverschuldung absehbar nicht einhalten können. Unbestritten ist auch, dass die ostdeutschen Länder nach dem Auslaufen des Solidarpakts 2019 weiterhin spezielle Förderung benötigen. Förderprogramme müssten sogar auf strukturschwache Regionen auch im Westen ausgeweitet werden – „Förderung nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtung“, so lautet das Stichwort. Drittens besteht Einigkeit darin, dass Kommunen von Sozialausgaben entlastet werden müssen. Den ersten Schritten (Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter durch den Bund) müssten weitere folgen. Schließlich stellte das Podium auch klar, dass kein Ministerpräsident, keine Ministerpräsidentin sich mit Verlust aus den Verhandlungen zu den föderalen Finanzbeziehungen zuhause blicken lassen kann. Aus der „horizontalen“ Verteilung, also dem Finanzausgleich zwischen den Bundesländern, ist also nicht mehr zu holen.

Länderfinanzausgleich ver.di Podiumsdiskussion zum Länderfinanzausgleich  – Impulsreferat von Prof. Dr. Joachim Ragnitz

Woher dann nehmen? Der Bund sieht sich zumindest ein Stück weit in der Pflicht. Dies wird aus einem kurzen Papier deutlich, auf das sich alle Podiumsteilnehmer/innen bezogen, das offiziell aber gar nicht existiert. Als Schäuble/Scholz-Papier ging es durch die Presse, ein Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble und dem auf dem Podium vertretenen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Nach diesem Vorschlag sollte der Solidaritätszuschlag, dessen Aufkommen von momentan rund 14 Milliarden Euro bisher alleine dem Bund zufällt, in die Einkommenssteuer integriert werden. Dadurch würden künftig Länder und Kommunen über die Hälfte des Aufkommens automatisch erhalten. Doch unabhängig davon, dass dieser Vorschlag einige Nachteile hätte und neue Ungerechtigkeiten produzieren würde, scheint ihn wenige Tage vor der Diskussionsrunde Kanzlerin Merkel vom Tisch gewischt zu haben. Auch das Podium hat keine Varianten diskutiert, wie der Vorschlag praktikabel gemacht werden könnte. Zugestanden wurde nur, dass der Vorschlag immerhin Dynamik in die Verhandlungen gebracht habe und Kritiker nun gefordert seien, bessere Modelle einzubringen. Am besten wäre, so ein Vorschlag, jede und jeder Beteiligte an den Verhandlungen würde einmal aus seiner/ihrer jeweiligen Rolle schlüpfen und sich eine Lösung vorstellen, die im Sinne des großen Ganzen funktioniert. Jenseits solcher schöner Gedankenspiele gab es aber keine konkreten Vorschläge, wie es „im Ganzen“ funktionieren könnte.

Podiumsdiskussion ver.di LFA  – ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske begrüßte zu Beginn die Gäste und fasste zum Abschluss die Diskussion zusammen

Nicht einmal „im Kleinen“ zeichnen sich Lösungen ab: Aus dem Publikum wurde die Frage nach bundeseinheitlichem Steuervollzug gestellt, wodurch gleichmäßige und dadurch gerechtere Steuerhebung gewährleistet und die Einnahmen insgesamt erhöht würden. Die Übertragung der Länderzuständigkeit auf eine Bundessteuerverwaltung wurde vom Podium als politisch unrealistisch eingeschätzt. Das ist aus ver.di-Sicht auch gar nicht nötig, denn bundesein-
heitliche Regeln etwa bei der Personalbedarfsberechnung oder Informationsaustausch könnten schon viel bringen.

Doch dieses Thema steht gegenwärtig bei den Verhandlungen nicht besonders weit oben.Bei der Bestandsaufnahme waren sich die Podiumsteilnehmer/-innen insgesamt relativ einig. Wohin die Reise aber gehen wird, ob es am Ende doch größere Verlierer geben wird und in welchem Zeitraum eine Lösung für die Neuregelung der föderalen Finanzbeziehungen gefunden werden wird, blieb zumindest an diesem Abend offen.